Das Baugrundrisiko verwirklicht sich erst dann, wenn trotz bestmöglicher Untersuchung des Baugrundes, ohne dass ein Verschulden des Bauherrn (Auftraggeber) oder des Auftragnehmers feststellbar wäre, während der Arbeiten Erschwernisse im Boden- oder Grundwasserbereich auftreten und diese unvorhersehbaren Erschwernisse zu Leistungsänderungen und Bauverzögerungen führen ( § 2 Nr. 5, 8 VOB/B /§§ 242, 634 BGB).
OLG Naumburg, Urteil vom 11.01.2012 – 5 U 173/11
Vorherige Instanz: LG Magdeburg, 23.08.2011 – 9 O 1935/08
Kurze Sachverhaltsdarstellung:
Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) mit dem Bau einer Doppelgarage auf seinem Grundstück unter Vereinbarung der VOB/B. Sie vereinbaren einen Pauschalpreis von 16.600 Euro In der Baubeschreibung sind als Erdarbeiten der Aushub der Bodenklassen 1-3 bis 80 cm unter Oberfläche Gelände (OFG), als Gründung sind Streifenfundamente aus B 25 vorgesehen. Eine Baugrunduntersuchung wurde nicht vorgenommen. Unmittelbar nach Beginn der Erdarbeiten zeigt der AN eine Baubehinderung an und verlangt Mehrkosten für eine notwendige Gründung. Aufgrund “erst jetzt erkannter ungünstiger Bodenverhältnisse”-vorgefunden wurde die Bodenklasse 4- sei ein Bodenaustausch bis ca. 1 m unter OFG notwendig, um die notwendige Tragfähigkeit zu erreichen. Die entsprechende Rechnung des AN beglich der AG nicht. Der AN stellte die Arbeiten ein. Der AG kündigte den Vertrag aus wichtigem Grund. Der Besteller verlangt unter anderem Rückzahlung zu viel geleisteten Werklohns in Höhe von 1.600 Euro, weil die geleisteten Abschlagszahlungen den Wert der erbrachten Werkleistung übersteigen. Das Landgericht gibt der Klage des AG überwiegend statt. Der AN geht in Berufung.
Entscheidung des OLG Nauenburg:
Die Berufung des AN hat keinen Erfolg. Das OLG führt aus, dass die außerordentliche Kündigung durch den AG berechtigt sei, da der AN die Arbeiten nicht wegen Zahlungsverzugs des AG hätte einstellen dürfen. Die verlangte Mehrvergütung stehe dem AN nicht zu, da sie für Leistungen geltend gemacht wurde, die bereits vom Bauvertrag erfasst gewesen seien. Das OLG führt weiter aus, dass auch kein Fall der Realisierung des Baugrundrisikos vorliege, da keine Baugrunduntersuchung stattgefunden habe “und mit der (ohnehin nur geringfügigen) Änderung der Bodenklasse von 3 (leicht lösbare Bodenarten) auf 4 (mittelschwer lösbare Bodenarten) […] gerechnet werden musste.” Zudem ginge es nicht um den Aushub einer Baugrube für ein Haus, sondern um “die einfach feststellbaren Gründungsverhältnisse bei der Errichtung einer Doppelgarage”.
Stellungnahme und Hinweis für die Praxis:
Grundsätzlich kann der AN auch bei einem Pauschalpreisvertrag eine zusätzliche Vergütung nach § 2 Nr. 5, 8 VOB/B verlangen, wenn Erschwernisse auftreten, die für ihn unvorhersehbar waren (OLG Jena, IBR 2003, 122; VOB-Stelle Sachsen-Anhalt, IBR 2000, 313) und er sich kalkulatorisch auf die ausgeschriebene(n) Bodenklasse(n) eingestellt hatte. Die Aussage des OLG, der Unternehmer habe mit der -nicht ausgeschriebenen- Bodenklasse 4 rechnen müssen, erscheint jedoch wenig weitsichtig und zu einfach. Das OLG lässt außer Betracht, dass allein der AG dafür zu sorgen hat, dass die Ausschreibung richtig ist. Grundsätzlich gilt, dass der Bauunternehmer Erschwernisse durch andere Bodenverhältnisse nicht einzukalkulieren braucht, wenn der Baugrund eindeutig nach DIN 18300 in Bodenklassen vorgegeben ist (OLG Hamm, IBR 1994, 95). Dass in Fällen der fehlenden Baugrunderkundung (wie es vorliegend ja der Fall war) kein Fall der Realisierung des den AG treffenden Baugrundrisikos vorliegt, sondern vielmehr ein allgemeines Baurisikos, heißt nicht automatisch, dass dies zu Lasten des Unternehmers geht. Da oft empfindliche Zusatzkosten beim Antreffen anderer als der ausgeschriebenen Bodenklassen entstehen können, ist es für den AN bei fehlender Baugrunduntersuchung empfehlenswert, sich etwaige Ansprüche auf gesonderte Vergütung vertraglich zusichern zu lassen.
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